Der Arzneistoff Mirtazapin gehört zur Wirkstoffgruppe der tetrazyklischen Antidepressiva, wird teilweise aber auch den spezifisch noradrenergen serotonergen Antidepressiva (NaSSA) zugeordnet. Mirtazapin ist indiziert zur Behandlung von depressiven Episoden und wird off-label häufig auch zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt.
Der Wirkstoff Mirtazapin gehört zur Gruppe der tetrazyklischen Antidepressiva – einer Medikamentengruppe, die gegen Depressionen eingesetzt wird und zu den Nachfolgern der trizyklischen Antidepressiva gehört. Durch Blockade bestimmter Andockstellen (Rezeptoren) für Nervenbotenstoffe (Neurotransmitter) im zentralen Nervensystem lindert Mirtazapin die Beschwerden von Depressionen und Angststörungen. Außerdem wirkt es beruhigend. Welche Nebenwirkungen Mirtazapin hat sowie viele weitere interessante Fakten lesen Sie hier.
Die Mirtazapin-Wirkung beruht auf der Blockade bestimmter Rezeptoren im zentralen Nervensystem. Durch diese Blockade werden Mechanismen gehemmt, die eigentlich die Ausschüttung der Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin unterdrücken. Folglich stehen beide Transmitter in höheren Konzentrationen zur Verfügung, wobei für die Mirtazapin-Wirkung vor allem das höhere Angebot von Noradrenalin verantwortlich gemacht wird. Noradrenalin wirkt aktivierend im sogenannten sympathischen Nervensystem. Dies führt zu einer generellen Leistungssteigerung und einem erhöhten Stoffwechsel.
Eine weitere, zum Teil unerwünschte Eigenschaft von Mirtazapin ist die Hemmung von Histamin-Rezeptoren, den sogenannten H1-Rezeptoren. Dies hat eine sedative, also beruhigende Wirkung, weil der durch Histamin gesteuerte Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflusst wird. Gehemmt werden diese Rezeptoren nicht direkt, sondern über eine gesteigerte Wirkung von Serotonin an spezifischen Rezeptoren (5-HT1-Rezeptoren). Die Hemmung der Histamin-Rezeptoren hat nicht nur einen beruhigenden Effekt, sondern kann auch gegen Erbrechen und Übelkeit helfen.
Mirtazapin wird im deutschsprachigen Raum für die Behandlung von depressiven Erkrankungen verwendet. Außerhalb dieses zugelassenen Anwendungsgebiets wird der Wirkstoff manchmal auch bei Beschwerden wie Schlaf-, Angst- und Panikstörungen verabreicht
Entdeckt und patentiert wurde Mirtazapin im Jahre 1976.
Mirtazapin wird durch den Mund eingenommen, also geschluckt. Hierfür stehen typischerweise Filmtabletten oder eine Lösung zum Einnehmen zur Verfügung. Es gibt allerdings auch Schmelztabletten, die sich bereits im Mund zersetzen. Die Mirtazapin-Dosierung bei allen Darreichungsformen ist durch die lange Halbwertszeit von 20 bis 40 Stunden (die Zeitspanne, nach der die Hälfte des Wirkstoffes ausgeschieden wurde) recht einfach: Es genügt eine einmalige Einnahme vor dem Einschlafen. Manchmal verordnet der Arzt aber auch jeweils eine Tablette morgens und abends. Die mittlere Mirtazapin-Dosierung liegt bei 15 bis 45 mg pro Tag.
Gewichtszunahme ist eine wichtige Nebenwirkung von Mirtazapin. Sie beruht auf der appetitsteigernden Wirkung des Arzneistoffes, einer Folge der Mirtazapin-Wirkung auf die Histamin-Rezeptoren. Weitere mögliche Mirtazapin-Nebenwirkungen sind Wassereinlagerungen im Gewebe (Ödeme), Kreislaufprobleme bei Lagewechsel wie raschem Aufstehen (orthostatische Hypotonie), Müdigkeit, Benommenheit, Schläfrigkeit und Mundtrockenheit. Außerdem können Konzentrationsstörungen auftreten. Seltener kommt es zu Halluzinationen oder Gefühlsstörungen auf der Haut wie zum Beispiel ein Brennen oder Kribbeln. Im Gegensatz zu anderen Wirkstoffen aus der Gruppe der Antidepressiva zählen sexuelle Funktionsstörungen kaum zu den Mirtazapin-Nebenwirkungen. Auch Schlafstörungen und Effekte auf das Herzkreislaufsystem sind untypisch.
Mirtazapin darf nicht bei Patienten mit einer verringerten Anzahl an weißen Blutkörperchen (Leukopenie) angewendet werden. Außerdem darf es nicht zusammen mit Antidepressiva aus der Gruppe der MAO-Hemmer verabreicht werden. Sicherheitshalber sollte mit der Einnahme von Mirtazapin frühestens 14 Tage nach Absetzen der MAO-Hemmer begonnen werden.
Neben diesen absoluten Kontraindikationen gibt es noch relative Kontraindikationen, also Situationen, in denen das Antidepressivum nur bei zwingender Notwendigkeit und nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung verordnet werden sollte. Zu diesen relativen Kontraindikationen gehören schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen sowie eine erhöhte Krampfbereitschaft.
Schwangerschaft und Stillzeit
Eine Anwendung von Mirtazapin bei schwangeren und stillenden Frauen ist nicht ausreichend untersucht. In Tierversuchen zeigten sich keine Hinweise auf eine fruchtschädigende Wirkung. Das Antidepressivum kann in der Schwangerschaft verordnet werden, wenn besser untersuchte Alternativen nicht ausreichend wirken oder die Frau unter starkem Schwangerschaftserbrechen leidet. Auch in der Stillzeit ist eine Anwendung möglich, wenn eine Behandlung mit besser untersuchten Antidepressiva nicht den gewünschten Effekt bringt.
Mirtazapin sollte nur nach den Angaben des Arztes eingenommen werden. Eine Mirtazapin-Überdosis führt zu Schläfrigkeit und Desorientiertheit. In diesem Fall sollte sofort der behandelnde Arzt benachrichtigt werden.
Wird während der Behandlung mit Mirtazapin Alkohol konsumiert, verstärkt sich die beruhigende Wirkung des Antidepressivums. In Kombination mit anderen Beruhigungsmitteln (vor allem mit Benzodiazepinen) tritt der gleiche Effekt auch wie bei der Kombination aus Mirtazapin und Alkohol: Die beruhigende, also sedierende Wirkung fällt sehr viel stärker aus.
Die Wirkung von blutdrucksenkenden Medikamenten (Antihypertensiva) kann durch Mirtazapin verstärkt werden, sodass es zu starken Blutdruckabfällen kommen kann.
Bei gleichzeitiger Anwendung von Carbamazepin (bei Epilepsie) ist mit einem beschleunigten Abbau des Antidepressivums zu rechnen, was eventuell eine Dosiserhöhung notwendig machen kann.
In Kombination mit Lithium (bei psychischen Erkrankungen) können sich die Wirkungen und Nebenwirkungen verstärken.
Während der Behandlung mit Mirtazapin sollten Patienten nur dann Fahrzeuge lenken, nachdem sichergestellt wurde, dass ihre Konzentrationsfähigkeit nicht beeinträchtigt ist.
Nach etwa sechs Monaten ohne Beschwerden kann man im Regelfall Mirtazapin absetzen (in Absprache mit dem Arzt). Dies sollte jedoch nur in langsamen Schritten, also schleichend (durch schrittweise Reduzierung der Dosis) geschehen. Anderenfalls kann es zu Nervosität und ausgeprägten Schlafstörungen kommen.